Die Wet­terprognosen verhießen gute Steigwerte, mit Basis­höhen bis 1.500 m und schwachem Wind aus südöstlicher Richtung. Jarek, Holger, Florian, Jo, Max und ich, hatten uns auf dem Schleppge­lände an der Halde Norddeutschland verabredet. Theo und Andreas waren bereits gestern zur bayrischen Meister­schaft gefahren.

Ich freue mich ganz besonders, dass diebeiden “Tagessieger” Jarek und Holger über ihre spannenden Flüge berichten:

Papa Jarek’s Bericht

Als Martin und ich am Schleppgelände ankamen, stand der Wind auf Südost und die ersten Cirren machten sich am Himmel breit. Ich durfte als erster starten und fand schnell den ersten, noch schwachen Bart. Nach einigen Minuten startete auch Flo und konnte ebenfalls in die schwache Thermik einsteigen. Irgendwie ging es mir zu langsam hoch und ich wagte es meine Kreise zu vergrößern, mit mäßigem Erfolg.

Südöstlich der Schleppstrecke gibt es einen großen Bauernhof, über dem oft gute Thermik zu finden ist. Trotz geringer Höhe löste ich mich von dem schwachen Steigen und wurde belohnt – mit Steigwerten um 2 m/s ging es über dem Bauernhof endlich hoch.

Auf ca. 1.000 m meldete sich mein PDA und warnte mich vor der Höheneinschrän­kung. Obwohl ich meine Geräte vor dem Start kalibriert habe, lag die Abweichung bei fast 100 m – zum Glück ist es mir frühzeitig aufgefallen, hier muss ich aber unbedingt was verbessern.

Mit Jarek über dem Niederrhein :. © Martin Speis

Mit 1.340 m verließ ich die Thermik und flog weiter Richtung Norden. Der zweite Bart zog nicht richtig durch und ich parkte vorerst in einem Nullschieber. Von hier sah ich wie Flo Höhe machte und freute mich auf einen gemeinsamen Flug, kurze Zeit später folgte auch Martin und Holger.

Die Bärte pulsierten stark und so war ein gemeinsames Fliegen kaum möglich. Mal war der eine in einer starken Thermikblase, mal der andere – irgendwie konnte sich so kein Pulk bilden. Der Luftraum über uns machte es auch nicht einfacher, wer höher war musste auch schnell weiter fliegen – irgendwie kam ich nicht ganz mit und so flog ich kurze Zeit später wieder alleine…

Als ich über Spellen Höhe machte kam auf einmal Holger aus dem Nichts – durch seine schwarze Eintrittskante ist er nicht immer gut zu sehen. Gemeinsam versuchten wir einen schwachen Bart besser zu treffen doch dieser zog nicht durch.

Ich flog zurück zu einer Stelle, in der ich kurz zuvor beim Nullschieber geparkt habe und erwischte diesmal eine starke Blase. Ich konnte es nicht glauben, wie schnell ich dem Holger davon gestiegen war obwohl er gerade mal 30–40 s später in derselben Stelle gesucht hatte – hier habe ich ihn leider aus den Augen verloren.

Ich flog über Wesel, weil ich hier mal gute Thermik gefunden hatte. Ich war tief und steuerte auch langsam den Flugplatz an um dort zu landen. Doch dann erwischte ich tatsächlich noch einen ruppigen Bart und kreiste kurze Zeit später gemeinsam mit einem Segelflieger, nicht als zu hoch über der Stadt. Einige Male flog der Segelflieger recht knapp (gefühlte 30 m) über meinem Schirm drüber und verursachte so, starke Turbulenzen. Als ich beim dritten Mal den Schirm nicht mehr stützen konnte und mir dieser um die Ohren flog, gab ich auf und wollte mit ca. 630 m weiter fliegen. Der Segelflieger muss meine Störung beobachtet haben, weil auch er den Bart verließ und gut 500 m weiter eine neue Thermik fand.

Nun flog ich wieder zurück zu der Thermik und konnte nun ohne Turbulenzen Höhe machen. Leider konnte ich jedoch das erlebte nicht ganz abschütteln und war zu verspannt um die Bärte vernünftig und konsequent zu nutzen. Hätte ich gewusst, dass Holger zu diesem Zeitpunkt nur knapp hinter mir flog so hätte ich mich sicherlich wieder motiviert. Doch so schaute ich mehr nach guten Landeplätzen als nach Thermikquellen…

Beim nächsten Mal mache ich es besser :-).

Papa Holger’s Bericht

Die Topmeteo Ankündigung für den 17.05. lies, nach meinem erfolglosen Flugtag vom letzten Sonntag, doch einen kleinen Hoffnungsschimmer in mir aufblitzen. Bernd Fischer kündigte in seiner täglichen Vorschau eine frische, thermisch gute Luftmasse über unserem Bereich an. Die voraussichtliche Basishöhe betrug 800–1.200 Meter mit 2-4/8 Bewölkung.

Nicht wirklich hochreichend, aber schon einmal ganz in Ordnung.

Dass dies wieder einmal eine Fehleinschätzung sein sollte, dieses Mal aber im posi­tiven Sinne, konnte zu dem Zeitpunkt noch niemand ahnen. Der südliche Wind sollte nördlich des Ruhrgebiets in der Höhe auf West drehen, was eine Flugplanung Rich­tung Hamm möglich erschienen lies. Ganz im Stillen hatte ich auf einen Flug in mei­nen Geburtsort Oelde gehofft, wie gerne wäre ich auf dem Sportplatz hinter meinem Elternhaus gelandet, nur um meinen Vater, auch ein ehemaliger Gleitschirmpilot, zu überraschen. Leider hat die Windvorhersage hier aber auch nicht Recht behalten.

Nachdem sich über dem Ruhrgebiet bereits ab 10:00 die ersten vielversprechenden Wolken gebildet haben, sah ich mich „gezwungen“ das gemeinsame Familienfrüh­stück schnellstmöglich zu verlassen um mich auf den Weg nach Neukirchen-Vluyn zu machen.

Im Gelände habe ich dann Manfred angetroffen, der ebenfalls schon frühzeitig dem Ruf der Wolken gefolgt war. Wie immer an solchen Tagen dauerte es nicht lange bis die üblichen Verdächtigen mit Sack und Pack im Gelände erschienen. Der Wind kam am Anfang deutlich und wie angekündigt aus südlichen Richtungen, daher haben wir uns dazu entschlossen die Winde am Nordstartplatz aufzustellen. Auf dem Weg zum Startplatz klingelte mein Telefon. Martin war dran und gab vor zu Hause in Düssel­dorf zu sitzen. Nach meiner Schilderung des momentanen Wetters am Fluggelände hat er mir ziemlich glaubhaft versichert, dass es in Düsseldorf bereits komplett zugezogen war und die ersten Regentropfen auf seine Terrasse fielen. Beim Blick Richtung Süden habe ich zwar das gemeldete massive Cirrenfeld deutlich sehen können, aber von Regen war weit und breit keine Spur. Meine Skepsis hat Martin dann wohl auch bemerkt und hat mir mit den Worten „dreh Dich doch mal um“ zu verstehen gegeben, das auch er schon im Gelände ist. Beim Blick auf die Gartenstraße habe ich Ihn auch direkt, zusammen mit Jarek, kommen sehen. Wie sollte es an so einem Tag auch anders sein. Kurze Zeit später erschienen dann auch noch Flo, Jo, Max und einige andere Piloten im Gelände.

Am Südstartplatz angekommen hatte der Wind dann schon eine deutliche Ostkompo­nente und wir haben uns dazu entschieden doch auf die lange Schleppstrecke zu gehen. Also, umgebaut und in die Startreihenfolge eingereiht. Slot Nummer 4 sollte mir gehören, nach Jarek, Flo und Martin. Damit waren die Thermik-Bojen dann schon mal professionell belegt ;-).

Jarek hat dann schnell, über dem Startplatz, den ersten Nullschieber gefunden und auch Flo konnte sich an der gleichen Position halten. Beide haben erfolgreich „einge­parkt“ und so lange die Position gehalten, bis sie nach ca. 10 Minuten ein zuverlässiger Lift immer weiter Richtung Wolke steigen ließ. Nach den Misserfolgen vom Sonntag konnte ich es kaum erwarten bis das nächste Seilpaar vor Martins und meinen Füßen ankam, zumal der Blick nach Süden auch deutlich das Herannahen der Cirrenfelder ankündigte.

Dieters nächster Schlepp hat Martin direkt in eine Ablösung auf der Nordseite der Schleppstrecke geführt.

Nun war ich endlich an der Reihe. Der nun doch deutliche Ostwind bescherte mir einen perfekten Start, nachdem ich den Kontakt zum Boden verloren hatte ging es auch schon mit der Ablösung im Raketentempo nach oben. Die Hälfte der Schlepp­strecke hatte ich damit zu tun meinen Schirm in Fahrtrichtung zu halten, da der Gute schon mit aller Gewalt in den Bart ausbrechen wollte. Der ein oder andere gefühlte Entlaster gab mir dabei bereits einen guten Vorgeschmack auf die thermisch durch­mischte Luft in der Umgebung.

Nach dem Klinken brauchte es dann nur eine 180 Grad Wende nach links um den Einstieg in den Bart zu machen. Mit Steigwerten zwischen 3 und 4 Metern pro Sekunde ging es dann direkt bis auf über 1200 Meter Höhe. Selbst im Geradeausflug nach Verlassen der stärksten Aufwindzone ging es immer weiter nach oben, so dass ich mir kurz mal Sorgen gemacht habe, ob mich die Thermik nicht direkt in den Deckel saugt. Ich habe auf jeden Fall mal kurz auf die B3 geschielt um im Ernstfall die Ohren einholen zu können.

Weit vor mir konnte ich die Schirme von Jarek, Martin und Flo in Richtung Rhein sehen, deutlich tiefer, aber zum Teil auch schon im nächsten Aufwind drehend. Also ins Gas und hinterher habe ich mir gedacht. Leider wäre mir dann aber fast die Technik zum Verhängnis geworden. In meinem C-Pilot habe ich scheinbar einen „Phantomluftraum“, der sich in Form eines Dreiecks westlich an die TMZ angliedert. Das C-Pilot hat dann bereits hinter Rheinberg einen bis fast zum Boden reichenden Luftraum angekündigt. Nach längerem hin und her habe ich mich dazu entschlossen die Warnung zu ignorieren, da auch die anderen drei, mittlerweile alle kreisend, in eben dieser Verbotszone unterwegs waren. Von vergangenen Flügen konnte ich mich auch an dieses dreieckige Anhängsel nicht erinnern. Also, dachte ich mir, zurück ins Gas und hinterher.

Sch… was auf das Getöse aus dem GPS, 3 Piloten können nicht irren.

Kurz vorm Rhein wurde mir die bisher einmalige Situation so richtig bewusst. 4 Piloten gleichzeitig vor dem Rhein stehend, so etwas hatte es bisher noch nicht gegeben.

Voller Vorfreude schloss ich zu Jarek auf, der mittlerweile schon den Rhein passiert hatte und nordwestlich von Voerde seine Kreise zog. Auch ich bin dann auf die andere Seite gequert und wir konnten eine Zeit lang im gleichen Bart Höhe machen. Beim Kurbeln habe ich im Dunst Flo, immer noch auf der anderen Seite des Rheins, in deutlich geringerer Höhe gesehen und weit unten wohl Martin bereits im Landeanflug auf eine große Wiese. Schade, der Traum vom gemeinsamen Weiterfliegen war hier dann auch schon wieder zu Ende.

Leider hatte ich im Bart weniger Erfolg als Jarek. Nach einem kurzen Winker in 850 Metern Höhe hat Jarek sich dann kurze Zeit später weiter auf den Weg Richtung Norden gemacht. Ich hingegen konnte mich von meinem letztjährigen Flug in diese Richtung noch an einen sehr starken Bart nördlich von Friedrichsfeld erinnern. Also nichts wie hin, leider habe ich auf der kurzen Strecke gegen den Wind fast meine gesamte Höhe vernichtet. Zwischen der Lippe und dem Wesel Datteln Kanal hatte ich dann in ca. 160 Metern über Grund schon fast das Fahrwerk ausgefahren als mich der Bart an einem Baggersee und kurz über einer Hochspannungsleitung erwischte. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt übrigens, dass Hochspannungsleitungen oft mit Anwesenheit brillieren wenn der gestresste Gleitschirmflieger auf der Suche nach dem rettenden Luftpaket ist. „Erwischte“ ist hier übrigens das richtige Wort. Zum Dank, dass ich Ihn ausgegraben habe, hat sich der Bart erst einmal mit einem 2-Leiner Ohren-nach-vorne-Schieber bedankt, gefolgt von einem beidseitigem! Klapper von jeweils ca. 1/3 meiner Flugfläche. Ein kurzer Blick nach unten zeigte hier dann auch wieder das liebliche Bild der spannungsführenden Drähte. Also tapfer wieder in die Kreisbahn und dann ging es ohne weitere Zwischenfälle hoch auf über 1300 Meter. Über Wesel habe ich erst mal den Hausbart der Segelflieger getestet. Kurbelnd über 2 Segelfliegern hatte ich hier das Vergnügen mir den Flugplatz Wesel Römerwart mal wieder aus gehöriger Höhe anzusehen. Diese Thermik hat mich das erste Mal in diesem Flug auf über 1500 Meter gebracht (wie war das noch: Basishöhe zwischen 800 und 1200 Metern?)

Die nächsten 45 Minuten liefen komfortabel von Lift zu Lift ohne auch nur einmal unter 1000 Meter zu sinken. Gleichzeitig habe ich hier aber bereits damit begonnen gegen den, nicht sehr starken aber dennoch mit ca. 12 km/h gut spürbaren, Höhen­wind aus Südost bis Ost vorzuhalten um mich im späteren Flugverlauf um die nieder­ländische TMZ bei Stadtlohn herumzuarbeiten. Zwischen Hamminkeln und Borken hat mich das dann wieder bis auf 500 Meter runter gebracht. Das Fliegermantra „komm, komm“ hat dann aber aus den unstrukturierten Blasen wieder einen ausge­wachsenen Lift gemacht der mich dann auch direkt bis auf 1651 Meter gebracht hat. Das sollte der höchste Punkt des Tages gewesen sein. Über Borken bin ich später mit komfortablen 1500 Metern hinweg, was übrigens der Grund gewesen sein wird, dass Jarek mich nicht gesehen hat. Denn ich bin ca. 10 Minuten nach Jarek‘s Landung mit dieser Höhe knapp an seiner Landewiese vorbei geflogen. Das habe ich auch schon das ein oder andere Mal aus der anderen Perspektive erleben müssen.

Hinter Borken ging es erst einmal schnell Richtung Norden, da der TMZ Zipfel jetzt keinen Wiederstand mehr bot. Nördlich von Südlohn hat der Thermikgott dann wie­der einmal den Stecker gezogen und ich wäre fast in Stadtlohn, das Ziel meines letzt­jährigen Flugs in diese Richtung, gelandet. Trotz mittlerweile fast geschlossener Be­wölkung habe ich einen letzten Lift ausgraben können. Diesen Lift habe ich im Flug „Theo“ 😉 getauft, da mein C-Pilot mir mittlerweile 65 km vom Startpunkt angezeigt hat, und ich wusste, dass mir noch ein paar Kilometer bis zur aktuellen Jahresbest­leistung, bis zu diesem Moment gehalten von Theo mit 78 km, fehlen. Also unter der geschlossenen Wolkendecke hoch bis auf 1200 Meter, und dann rein ins Gas und zusehen was der 2-Leiner hergibt. Für alle Interessierten: Google Earth markiert diesen Punkt mit 74 km/h.

Auf einer schönen gemähten Wiese war dann Schluss. 75 km hat der Tacho auf dem C-Pilot angezeigt.

Das muss für über 80 km reichen. Ziel erreicht!

Als ich gelandet bin, war ich absolut orientierungslos, da ich mein Garmin mit der Deutschlandkarte nicht im Cockpit hatte. Nach Ablegen meines Gurtzeugs hörte ich dann, zu allem Überfluss, hinter einer Hecke eine Frau mit Ihrer Tochter nieder­ländisch sprechen.

Oh Gott, das wird eine Odyssee

Der Blick in Google Maps zeigte dann aber den Landeplatz in Lünten, unmittelbar vor der Grenze.

Nach einer kurzen Wanderung mit Sack und Pack ins Dorf bin ich erst mal in der lokalen Sportsbar eingekehrt und habe mir 2 Radler gegönnt. Jo hat mir am Telefon dann mitgeteilt, dass der Flugbetrieb schon frühzeitig eingestellt worden ist und manch einer sich schon Sorgen um mich gemacht hat.

Da uns das Fluggelände jetzt auch schon vormittags zur Verfügung steht, sollten wir uns mal Gedanken darüber machen an solchen Tagen auch schon um 10:00 Uhr zu starten. Kaum auszudenken was an dem Tag drin gewesen wäre.

Am Ende war es ein sensationeller Tag, ich hätte nie damit gerechnet, dass es so weit geht. Viel Arbeit in der Luft, manchmal mental schon bei der Landeeinteilung, aber es hat sich am Ende gelohnt. Schade, dass sich die Gruppe vor dem Rhein auflösen musste.

Startreihenfolge

  • Jarek startete um 12:45 Uhr und flog 50,7 km weit.
  • 5 Minuten später startete Florian und kam 22,8 km weit.
  • Um 12:58 Uhr bekam ich das dritte Seil und flog 25,6 km weit
  • Holger startete 6 Minuten danach, am vierten Seil und flog 81,5 km weit.

Gegen Nachmittag wurden die Bedingungen über der Schleppstrecke immer schlechter: der Wind nahm zu und eine geschlossene Cirrendecke machte jede Thermik zunichte. Lediglich Max fand um 14:34 Uhr noch einen Bart über dem Gelände, konnte auf 1.150 m aufdrehen und 20,7 km bis nach Büderich fliegen.

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