Gestern war mal wieder einer dieser seltenen “perfekten Streckenflugtage”: Gute Thermik, die am Nachmittag bis auf 1.500 m reichen sollte und schwacher bis mäßiger Wind aus nördlicher Richtung. So weit so gut!

Bleibt nur die Frage: Von wo soll man starten? Welches Schleppgelände ist am optimalsten?

Lass uns mal nach Neuss fahren.

Nach der morgendlichen Recherche der Wetterdaten und einem Telefonat mit Theo, haben wir uns für das Schleppgelände Holzheim entschieden. Jarek und Theo haben schon einige Male bewiesen, dass man von dort aus – trotz der 10 km langen Höhen­beschränkung von 2.500 ft (762 m) – durchaus auf Strecke gehen kann.

Um 11:30 Uhr waren wir am Gelände. Jarek war schon da und Andreas kam kurze Zeit später. Tobi, der seit dem frühen Morgen am Schulen war, versprach uns, dass wir vier Seile hintereinander bekommen würden. Wir warteten noch etwas ab, da das Gelände zeitweise vollständig abgeschattet war.

Um kurz vor 13:00 Uhr startete Theo an dem ersten Seil, klinkte aus und begann auf der SO-Seite des Geländes zu steigen. Ich startete ein paar Minuten später, wurde bis auf 450 m geschleppt und fand ebenfalls direkt den Einstieg in die Thermik ;-). Kurz darauf folgten Jarek und Andreas.

In dem ersten Bart stieg ich bis auf 650 m hoch und flog dann zu Theo rüber, der über Kapellen den nächsten Bart gefunden hatte. Wir stiegen zusammen mit 1,5 – 2 m/s nach oben – pro Kreis etwa 40 m. Bei 700 m sind wir raus aus dem Bart. Unmittelbar danach alarmierte mich mein C-Pilot: Ich war nur noch 50 m unter dem Luftraum und es ging weiter hoch :-(. Bei 770 m, also noch innerhalb der 5%-Toleranz­grenze hörte das Steigen auf.

Sonst sucht man verzweifelt die Bärte und hier muss man aus dem “besten Steigen” raus fliegen.

Kurz vor Grevenbroich dann das gleiche Spiel: mit 400 m rein in die Thermik, auf­drehen auf 700 m und schnell raus aus dem Bart. Auf Höhe der Autobahn A 540 kann man dann schon bis auf 3.500 ft (1.067 m) hoch steigen. Ich flog weiter Richtung S über eine kleine Halde und … stand 5 Minuten später am Boden.

So ein Mist!

Während ich meinen Schirm zusammengepackte, sah ich ein Stück weiter nördlich, Theo wie eine Rakete in den Himmel schießen. Wie er mir später erzählte, war er mit gut 400 m Höhe über einen der Kühltürme des Kraftwerks Frimmersdorf ge­flogen und hat sich dort mit gut 7 m/s nach oben beamen lassen.

Das ging relativ ruhig nach oben. In den Alpen bin ich schon in heftigeren Bärten geflogen!

Jarek hatte sich in der Zwischenzeit zweimal aus gerade mal 200 m wieder hoch gebastelt und drehte direkt über mir auf gut 1.000 m auf. Ich konnte den beiden nur noch hinterher schauen und viel Glück wünschen. Andreas erklärte sich spontan bereit mich abzuholen. Vielen Dank dafür.

Während wir beide uns für einen zweiten Versuch bereit machten, meldete sich Theo zurück. Er war 25,6 km weit, bis zur Sophienhöhe geflogen. Jarek war noch immer unterwegs.

Um 15:00 Uhr bin ich ein zweites Mal gestartet. Der Schlepp ging bis auf 400 m hoch. Nach ein paar Suchkreisen ging es über dem Gelände wieder hoch.

Unglaublich wie thermisch aktiv dieses Schleppgelände ist.

Braunkohlekraftwerke Niederaußem :: © Martin Speis
Auf den ersten 10 km habe ich die gleiche Strate­gie wie bei meinem ersten Flug angewendet und das hat wieder gut funktioniert ;-). Dieses Mal bin ich allerdings mehr nach SO, über die trockenen Ackerflächen geflogen. Vor Rommerskirchen kon­nte ich dann endlich auf 1.000 m aufdrehen ;-). Links und rechts von mir lagen die beiden Braun­kohlekraftwerke Niederaußem und Neurath, über denen sich eine mächtige Wasserdampfsäule in den Himmel erhob. Vor mir markier­ten zwei Greifvögel – über einer Brachfläche – den nächsten Bart, mit dessen Hilfe ich auf 1.450 m hoch kam. Hinter dem Segelflugplatz Bergheim drehte ich zusammen mit drei Segelflugzeugen im nächsten Bart auf.

Tagebau Hambach :: © Martin Speis
Vor mir lag – einer Mondlandschaft gleich – der Tagebau Hambach. Nach einigem Suchen fand ich über der östlichsten Ecke des “Loches” die nächste Thermik, in der es mit 2 m/s auf über 1.500 m hoch ging. Richtung SW konnte ich jetzt schon Düren erkennen. Auf den Weg dorthin überlegte ich mir, wie ich weiterfliegen sollte.

Wenn ich über dem Ort einen guten Bart finde, flieg ich weiter in die Eifel.

Den “guten Bart” habe ich leider nicht gefunden – oder wollte ich ihn nicht finden. Mir ging die ganze Zeit die “Rückfahr-Odyssee” meines 100 km Fluges, von vor zwei Jahren, durch den Kopf. Andauernd schielte ich unter mir auf den Bahnhof von Düren und sah mich schon in einem der Züge nach Hause fahren. Und so kam es wie es kommen musste: Nach einer viertel Stunde Rumgeeiere über der Stadt, bin ich auf einem großen Sportplatz, unweit des Bahnhofes, gelandet.

Nachdem ich mein Gurtzeug abgelegt hatte, sah ich, dass sich Jarek bei mir gemeldet hatte. Er ist gut 10 km weiter westlich von Düren gelandet und wurde dort von seinem Vater abgeholt. Die beiden waren schon auf dem Rückweg, haben sich aber spontan angeboten, noch einmal zurück zu fahren und mich mit zu nehmen. Vielen Dank dafür.

Jarek ist an diesem Tag 51,7 km und ich 44,7 km weit gekommen.

Nachtrag

Welches Potential dieser Tag tatsächlich hatte, zeigten uns mal wieder die “Atos-Flieger” aus Uedem:

  • Dirk Ripkens flog ein 218.9 km großes FAI-Dreieck (437.86 DHV-XC Punkte). Sein bisher bester Flug!
  • Manfred Veit schaffte ein 182.5 km FAI-Dreieck.

Die TMZ Niederrhein ist für die beiden inzwischen kein Hindernis mehr, da sie mit einem aktiviertem Transponder unterwegs sind!

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