Der Morgen begann wie jeder Flugtag: ausschlafen, ein gutes Frühstück, die Fluggeräte aufladen und überprüfen, sowie der obligatorische Wettercheck. Der Segelflugwetter­bericht meldete „Gute Thermik“ – 2 Achtel Cu die sich im Nachmittagsverlauf langsam auflösen – 10 km/h Wind aus N; Höhenwind eher aus NO; Basishöhen bis 1.600 m, die am Nachmittag auf 1.800 m ansteigen.

Perfekte Bedingungen, um erneut die „Südroute“ in Angriff zu nehmen.

Als Inspiration habe ich mir nochmal einen Flug von Dirk Ripkens, von Uedem bis Hinterweiler, ange­sehen. Südlich von Jülich flog er an dem Tagebau vorbei und hat dann über dem Kraftwerk Weisweiler in „Mega Thermik“ aufgedreht! Was bei den Segelfliegern gängige Praxis ist und mit einem Atos noch möglich sein mag – mit einem Gleitschirm würde ich mich das nicht trauen. Dirk ist anschließend über den Hürtgenwald Richtung Nideggen geflogen. Von da aus ging es dann weiter Richtung Süden über Kall, Blankenheim nach Hillesheim.

Für alle Fälle habe ich mir die rechte untere Ecke der ICAO-Karte Niederlande mitge­nommen. Man weiß ja nie!

Da ich bei meinem langen Flug am Mittwoch ganz schön unter den Folgen von Wasser­mangel zu leiden hatte, habe ich mir für heute zusätzlich ein Liter Wasser im Camelbak mitgenommen.

Bei den guten Vorhersagen wollten wir versuchen, so früh wie möglich in die Luft zu kommen und so hatten wir uns für 11:00 Uhr verabredet. Als ich zur Halle kam, warteten dort schon Petra und Holger. Wenig später kamen Ronni, Johannes, Chris, Theo und Max. Wir waren also genügend Piloten, um direkt mit dem Schleppbetrieb zu beginnen.

Hast Du den Schlüssel für die Halle?
Nö!

Schnell wurde klar, dass – entgegen der Vereinbarung – der Schlüssel nicht hier war und der „Schlüsselträger“ auch telefonisch nicht zu erreichen war.

So ein Mist!

Drei Segelflugzeuge drehen direkt über der Schleppstrecke unter einer Wolke auf :: © Martin Speis
Nach einigen Telefonaten konnten wir einen zwei­ten Hallenschlüssel auftreiben, der aber erst in Moers abgeholt werden musste. Holger hat die Strecke mit seinem Z4 in Rekord­zeit zurückgelegt. Ich hoffe da kommt nicht noch was nach ;-). Wir haben uns in der Zwischenzeit in den Schatten der Bäume zurück gezogen und den Segelflugzeugen zugesehen, die direkt über dem Platz unter den Cumuluswolken aufdrehten. Um 13:00 Uhr sind wir dann endlich in die Halle gekommen. Ich habe die Winde zur Ostseite des Geländes gefahren und startbereit gemacht. Die Kollegen hatten sich bestimmt gedacht, dass ich dann auch direkt mal dort bleiben könne, um die ersten Schlepps zu absolvieren. Ich sah wie alle ganz schnell Richtung Startplatz fuhren. Na prima! Und das an einem solchen Tag. Ich war ganz schön geladen.

Als erste starteten Johannes und Max, anschließend Theo und Holger. Bis auf Holger waren alle relativ schnell wieder unter. Holger flog nach dem Ausklinken weiter vor und fand direkt vor der Baumreihe den erhofften Bart. 10 Minuten später war er auf über 1.000 m und flog Richtung Westen ab. Grrr.

Als nächster Pilot …

Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie dankbar ich war, als mich Michael Jansen nach zwei weiteren Schlepps auf der Winde ablöste.

Mit Max kurz vor Nieukerk :: © Martin Speis
Bis ich meine Ausrüstung startbereit hatte, waren Johannes und Max ein zweites Mal gestartet und drehten schon 600 m über mir auf der West­seite des Geländes. Michael zog mich auf 220 m hoch. Beim Zurückfliegen ging es nur runter. Erst hinter der Gärtnerei konnte ich aus 170 m Höhe langsam aufdrehen. 10 Minuten später drehte ich auf einer Höhe mit Jo und Max und mein Schlepp-Frust wich der Freude auf den bevorstehenden Flug. Bei 1.400 m bin ich dann Richtung Nieukerk geflogen. Unter der dort stehenden Wolke ging es auf 1.600 m hoch. Max und Jo kamen etwas unterhalb von mir hinterher. Kurz vor Wachtendonk sah ich links von mir einen Segelflieger am Rande einer Wolke aufdrehen. Als ich an der Stelle ankam, traf ich auf den ersten kleinen Hammerbart in dem es mit 3-4 m/s auf 1.700 m hoch ging. Als ich an der „Blauen Lagune“ mit 1.100 m ankam und in dem nächsten Bart wieder schnell Höhe machte, sah ich wie auch Jo und Max deutlich tiefer dort ankamen. Jo erwischte den Bart noch ganz gut, aber Max musste kurz danach landen. Schade.

Venlo :: © Martin Speis
An dieser Stelle bin ich bei 1.600 m aus dem Bart ausgestiegen, um nicht in den Luftraum C mit der Untergrenze von 4.500 ft (1.371 m) hinein zu flie­gen. Mit entsprechen­dem Vorhaltewinkel bin ich dann um den Luftraum herum geflogen.

Über dem Waldgebiet vor dem Segel­flugplatz bei Venlo ging es dann auf fast 1.900 m hoch. Abglei­ten nach Kaldenkirchen und hinter der A61 wieder hoch auf 1.800 m. Was für fantastische Bedingungen und ich war gerade mal 1½ Stunden unterwegs. Weiter ging es über Bracht, Brüggen und Niederkrüchten. Hinter Merbeck, weiter südlich vor Schwanenberg, fand ich den nächsten guten Bart, der mich wieder an die Basis brachte.

Von Holger und Johannes – die zu diesem Zeit­punkt mit Sicherheit noch in der Luft waren – war nichts mehr zu sehen. Wirklich blöd, das wir nicht alle mit leistungsfähigen Funken ausgestattet sind.

Welches ist die beste Flugroute? :: © Martin Speis
Während des nun folgenden langen Abgleiters habe ich lange überlegt, wie ich denn jetzt weiter fliegen soll. Vor mir lag der große Tagebau Inden mit dem Kraftwerk Weisweiler, rechts von mir das Aachener Becken und links Jülich mit der Sophienhöhe. Mit etwas Sorge blickte ich auf Höhenanzeige meines Varios, das mittlerweile deutlich weniger als 1.000 m anzeigte.

Mein Flug wird doch nicht hier schon zu Ende sein!

Über einer Fabrik links am Ortsrand von Linnich bin ich dann auf den erlösenden Bart gestoßen, mit dem es wieder unter die große blaue Basis ging. Im weiten Umkreis von mir hatten sich alle Wolken aufgelöst – außer einer und die stand über dem Kraftwerk Weisweiler. Mit einer komfortablen Höhe von 1.870 m bin ich über die A44 geflogen, südlich an Jülich vorbei.

Mittlerweile war ich schon 3½ Stunden in der Luft und ich fühlte mich super fit. Was für eine gute Idee, das ich den Camelbak dabei hatte und ab und an mal einen Schluck Wasser trinken konnte.

Tagebau Inden mit dem Kraftwerk Weisweiler :: © Martin Speis
Beim Aufdrehen hinter Jülich genoss ich den atem­beraubenden Blick auf den Tagebau Inden. Ich flog über die ED-R 111 weiter, Richtung Düren. Auf dem Weg dorthin konnte ich in einem Bart nochmals auf 1.600 m aufdrehen. Während ich genüsslich in der butterweichen Thermik hoch kurbelte, kamen von Osten eine Reihe von Segelflug­zeugen an mir vorbeigeschossen. Wie mir Johannes später be­richtete, hat er diese später über dem Kühlturm des Kraftwerks aufsteigen sehen. Er zählte nicht weniger als 17 Segelflugzeuge!

Der Badesee vor Düren :: © Martin Speis
Bis nach Düren ging es dann im ruhigen Gleitflug runter und ich hatte mir schon eine perfekte Wiese vor dem großen Badesee ausgesucht, als es plötzlich wieder nach oben ging. Wahnsinn, fast 19:00 Uhr und ich konnte noch mal auf 1.370 m aufdrehen. Rechts von mir erkannte ich das Stau­becken Obermaubach. Unzählige Male bin ich da mit der Bahn vorbeigefahren, als es am Wochen­ende zum Klettern in die Eifel ging. Hinter dem Ort Boich ging es in ganz schwachem Steigen ein letztes Mal nach oben. Rechts von mir lag Nideggen mit der markanten Burg, die ich aus meiner Perspektive nicht erkannt habe. Vielleicht war ich aber auch zu sehr damit beschäftigt, meine Strecke so weit wie möglich auszudehnen.

Vlatten :: © Martin Speis
Auf meinem Compeo Plus ließ ich mir immer wieder die Entfernung zum Start anzeigen. Und der Zahlen­wert hatte noch immer nicht die 90 km Mar­ke überschritten. Das konnte doch nicht wahr sein, dass ich an einem solchen Tag die 100 nicht schaf­fen sollte! Ich versuchte auf den letzten Kilometern das Maximum aus der verbleibenden Höhe her­aus­zuholen. Nach fast 5 Stunden Flugzeit landete ich vor dem Ort Vlatten auf einer sonnendurchfluteten Wiese.

93,2 km Entfernung zum Start :: © Martin Speis
Im Gegensatz zu meinem letzten Flug vor drei Tagen fühlte ich mich super fit. Das Compeo Plus zeigte mir an, dass ich 93,2 km Luftlinie vom Schleppgelände Sevelen entfernt war. Ob ich heute die magische 100 km-Marke geknackt hatte? Da musste ich mich wohl noch bis zu Hause gedulden!

Die Rückfahrt war – wie nicht anders zu erwarten, wenn man auf die DB angewiesen ist – ein einziges Ärgernis. Nach einer langen Odyssee mit Verspätungen und verpassten Anschlüssen, kam ich endlich um 00:09 Uhr in Krefeld an, wo mich meine Frau abholte. Um 01:15 Uhr war ich endlich zu Hause.

Mein erster 100er :: © DHV XCUnd was glaubt ihr, habe ich als erstes gemacht? Genau. Das GPS ausge­lesen und von Maxpunkte die Wegstrecke optimie­ren lassen: 105,4 km. Mein erster Hunderter, und das im Flachland! Wahnsinn!

Die Bilanz dieses außergewöhnlichen Flugtages am Niederrhein:

  • Max Schmidt (UP Trango XC) flog 28,1 km bis Nettetal
  • Theodor Schürholz (Aircross U-Sport) flog 59,3 km bis Erkelenz
  • Christian Wiesner (Niviuk Artik) flog 65,5 km bis nach Hückelhoven
  • Johannes Völlm (Aircross U-Sport) flog 83,6 km bis nach Eschweiler
  • Holger Steffentorweihen (Aircross U-Sport) flog 99,4 km bis nach Aachen
  • Ich (UP Trango 3) flog 105,4 km bis nach Vlatten

Meinen Glückwunsch an alle Piloten zu dieser fantastischen Leistung.

Privacy Preference Center