Lass uns Morgen früh starten, es wird ein super Streckenflugtag.

Mit diesen Worten verabschiedeten wir uns ges­tern Abend auf dem Schleppgelände Sevelen. Ich hatte mir schon mal vorsorglich den heutigen Tag frei genommen.

Am Morgen noch mal das Wetter checken: Gute Blauthermik, Basishöhen 1.200 m anstei­gende auf 1.500 m, schwacher Bodenwind aus NW der in 1.500 m eher aus NO kommt!

Um 11:00 Uhr trafen wir uns wie verabredet in Sevelen: Gelände absperren, Winde auf­stellen und startklar machen, Seile ausziehen und die „Wer fährt als erstes die Winde“-Frage klären. Stefan übernahm die erste Schicht. In der Zwischenzeit waren die ersten „Streckenflug-Freaks“ eingetroffen und bereiteten ihre Ausrüstung vor.

Mit Theo 1.200 m über Sevelen :: © Martin Speis
Um 12:20 Uhr startete Theo als Erster und drehte nach kurzem Suchen direkt über Sevelen auf. Das erste der beiden nächsten Seile war für mich. Da ich weiß, dass mein Trango 3 problemlos bei leichtem Rückenwind startet, wartete ich nicht lange und startete ebenfalls in der Rückenwind­phase hoch. Ein paar Schritte und es ging direkt mit 5-7 m/s nach oben. Auf der Hälfte der Schlepp­strecke ließ das Steigen dann deutlich nach. Ich habe Stefan das Zeichen zum Ausklinken gegeben und bin direkt zurück in die Ablösung geflogen. Zehn Minuten später habe ich zu Theo aufgeschlossen und kreiste mit ihm zusammen bis auf 1.260 m hoch. Wir hatten verabredet Richtung Osten zu fliegen. Beim Flug Richtung Kamp-Lintfort zeigte das GPS gerade mal 30 km/h über Grund an. Also doch, wie vorhergesagt, schwacher Höhenwind aus NO.

Theo, lass uns Richtung Süden fliegen!

In der Zwischenzeit hatte es Johannes ebenfalls geschafft, zu uns aufzuschließen und so drehten wir zu dritt auf 1.000 m über den Schaephyusener Höhen. Wie oft haben wir davon gesprochen, mal mit mehreren auf Strecke zu gehen. Ohne die Möglichkeit sich im Flug abzusprechen, fand ich es nur anstrengend!

Ich bin dann nach ein paar gemeinsamen Kreisen entlang der B510 Richtung Aldekerk geflogen. Auf dem Weg dorthin nahm das Sinken überhaupt kein Ende mehr und ich sah mich schon vor dem Ort am Boden. Aber an der gleichen Stelle, an der ich mich schon einmal ausgegraben hatte, ging es heute wieder hoch. Da soll noch einer sagen im Flach­land gäbe es keine stationären Bärte! Mit einer komfortablen Höhe von 1.200 m folgte ich der bekannten Route: Aldekerk, über die A40, nördlich an Kempen vorbei und weiter nach Grefrath. Dabei konnte ich meine Höhe ganz gut halten. Aufdrehen auf 1.200 m, ein paar Kilometer mit dem 5er Rückenwind abgleiten und bei 800 m in den nächsten Bart einstei­gen. So langsam wurde mir bewusst, dass heute der richtige Tag ist, um eine richtig weite Strecke in Angriff zu nehmen.

Theo und Johannes waren mir nicht hinterher geflogen und drehten noch eine ganze Weile über Rheurdt. Als ich kurz vor Grefrath war, sah ich einen von beiden – es war Johannes – der auf Höhe der A40 recht niedrig am suchen war.

Nördlich von Grefrath sah ich vor mir eine Gruppe Schwalben nach oben steigen. Als ich auf sie zu­flog, nahm das Steigen und die „Geschwindigkeit über Grund“ spürbar zu. Ich erwartete jeden Mo­ment den Lift nach oben … und der biss richtig zu! Mit 3-5 m/s ging es nach oben und die Höhenan­zeige meines Varios stieg rasch über die 1.300 m Marke … 1.350 m. Unter welchen Luftraum C fliege ich hier eigentlich?

1.400 m … Mist, die Untergrenze liegt bei 4.500 ft!

Ohren rein, schnell weg aus dem Steigen und wieder runter auf 1.350 m. Zum Glück be­wegte sich das Ganze noch innerhalb der systembedingten Toleranz­grenzen ;-).

Zwischen Nettetal und der A61 hat es mich richtig durchgeschüttelt. Mir wurde richtig schlecht und ich hätte mich fast übergeben. Ich war froh, als mein Vario wieder kon­stantes Sinken anzeigte. Vor einem Waldstück sah ich einen Dustdevil, der auf dem Acker unter mir seine Bahn zog.

Da fliegst Du besser auch nicht hin.

300 m über Grund.

Du musst dich jetzt entscheiden.

Plötzlich spürte ich die warme Luft und bekam Waldgerüche in die Nase. Es ging wieder hoch auf 1.300 m. Im Gegensatz zu meinem letzten Flug in diese Gegend sind die Beding­ungen heute deutlich anspruchsvoller. Jede Thermik verlangte meine volle Konzentration und ich musste ganz schön unter dem Schirm arbeiten. Ich war erstaunt, wie fit ich nach drei Stunden Flugzeit noch war.

Mein nächstes Ziel ist Wegberg, da wo ich beim letzten Mal abgesoffen bin.

Das passiert dir heute nicht.

1.500 m über Wegberg :: © Martin Speis

Hinter dem Ort Merbeck fand ich die nächste Ab­lö­sung, mit deren Hilfe es in knapp 15 Minuten auf 1.540 m hoch ging. Wahn­sinn! Das Glück, das ich hier empfand, war unbe­schreib­lich.

Mit dieser komfortablen Höhe ging es weiter Rich­tung Erkelenz. Zwei Orte weiter war meine Höhe auf 340 m geschrumpft. Ich hielt schon Ausschau nach einer Bahnlinie oder einer Autobahnabfahrt, als mein Vario wieder leise anfing zu piepen und es tatsächlich noch mal 1.000 m rauf ging. Jetzt war ich schon über 4 Stunden in der Luft.

Links von mir lag die Sopienhöhe – das ehemalige Fluggelände der Ostwindfreunde – und vor mir die Halde von Aldenhoven. Ich hätte nie gedacht, dass ich hier mal mit dem Gleitschirm hin fliegen würde. Über einem großen Firmengelände vor Alsdorf konnte ich noch einmal auf 900 m aufdrehen. Ich merkte wie meine Konzentration langsam nachließ und mir das Zentrieren kaum noch gelang. Ein paar Kilometer weiter landete ich an der A44, in der Nähe der Ausfahrt Broichweiden.

Ich war fix und fertig und ausgetrocknet! Eine Dose Red Bull und ein Liter lauwarmes Was­ser waren ratz fatz geleert und schmeckten nach gut 5 Stunden Flugzeit richtig gut. Ich war super froh, dass sich Johannes bereit erklärt hat, mich hier abzuholen! Zum Glück waren wir beide rechtzeitig zum Vorrundenspiel Deutschland-Ghana wieder zu Hause. Vielen Dank Jo!

Meinen bisher längsten und mit 85,3 km weitesten Flug könnt ihr euch wie immer auf dem DHV XC ansehen.

Matthias Klinger flog 47,8 km, Johannes Völlm 22,0 km, Theodor Schürholz ein 16.3 km FAI-Dreieck und Max Schmidt 7,3 km. Ein super Streckenflugtag!

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